Günter Schönberger

"Nur ein gemeinsames Vorgehen wird den Bildurheber:innen Zahlungen großer Plattformen bringen."

Wie verändert der digitale Wandel die Wahrnehmung von Rechten und die Durchsetzung finanzieller Ansprüche der Bildurheber:innen (bildende Kunst, Fotografie, Grafik, Illustration, Design, Architektur)? Bringen mehr Bildrecht-Mitglieder weniger Geld für alle? Und warum braucht es gerade jetzt eine Allianz der Bildurheber:innen aller Sparten? Wir haben mit Bildrecht-Geschäftsführer Günter Schönberger gesprochen.


Die Rechte von Bildurheber:innen zu vertreten - ist das heute anders als früher? Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Günter Schönberger: An den fundamentalen Grundrechten zum Schutz geistigen Eigentums hat sich nichts geändert. Aber die technologische Entwicklung und damit verbundene neue Geschäftsmodelle im digitalen Raum haben das Umfeld insbesondere im Bildbereich radikal verändert. Die rasante Digitalisierung hat neue Formen der Veröffentlichung und Nutzung von Werken bewirkt, die urheberrechtlichen Regelungen laufen dieser Entwicklung oft hinterher. Heute treten die früher üblichen individuellen Nutzungsvereinbarungen in den Hintergrund, im digitalisierten Umfeld sind kollektive Verwertungen im Bildsektor die Regel.

Was hat das für die Bildrecht bedeutet?

Die Veränderungen haben auch nach neuen Strukturen verlangt. Um angemessene Anteile bei pauschal vergüteten Nutzungen für die Bildurheber:innen zu erreichen, war es notwendig, möglichst viele Mitglieder aus allen Bild-Sparten zu gewinnen. Gleichzeitig haben wir daran gearbeitet, den individuellen Wert und die volkswirtschaftliche Relevanz des Bildes zu verdeutlichen. Es war eine langwierige und intensive Aufgabe, unsere Position im Kreis der österreichischen Verwertungsgesellschaften und im Zusammenwirken mit Nutzerinstitutionen sowie Museen, Galerien, Auktionshäusern, Kunstmessen, Kunstuniversitäten und sonstigen Stakeholdern aus Kunst & Kreativwirtschaft sowie in Politik und Verwaltung zu stärken. Das ist uns gelungen und angesichts des anhaltenden Trends zu Massennutzungen von urheberrechtlich geschützten Bildern ein großer Vorteil bei künftigen Verhandlungen. Heute hat die Bildrecht über 7.000 Mitglieder und wir vertreten in Österreich mehr als 130.000 Urheber:innen aus aller Welt - Tendenz steigend.

Das klingt nach viel mehr Arbeit ...

Ja, aber das können wir mit einem kompakten, motivierten Team bewältigen, da wir selbst viele unserer Prozesse bereits digitalisiert haben. Meldungen und Auszahlungen laufen seit einigen Jahren über ein webbasiertes Mitglieder- und Verwaltungsportal. Neben den Kernaufgaben als Verwertungsgesellschaft im Lizenzgeschäft hauptsächlich für kommerzielle Bildnutzungen und der Einhebung und Verteilung von Mitteln aus pauschalen Vergütungen haben wir auch eine gesetzlich verankerte Rolle in der sozialen und kulturellen Förderung von Bildurheber:innen. Unser Ausstellungsprogramm in den "Bildraum" genannten Ausstellungsorten in Wien und Bregenz ergänzt und unterstützt die Arbeit der Galerien, im Bildraum Studio in der Brotfabrik Wien realisieren und präsentieren Gastkünstler:innen ihre ambitionierten Projekte. Die Bildrecht kooperiert auch eng mit Interessenvertretungen und Vereinen des Bildsektors, hilft in sozialen Härtefällen, fördert Projekte und Publikationen der Mitglieder und ist Partnerin bei der Vergabe von Kunst-, Foto- und Designpreisen.

Womit beschäftigen Sie sich aktuell besonders intensiv?

Die im Jänner 2022 auf Basis einer EU-Richtlinie in Kraft getretene Urheberrechtsnovelle nimmt endlich die großen Online-Plattformen in die Pflicht, die über massenhafte Postings professioneller Bildwerke durch private Personen attraktiven Content für ihre Social Media-Angebote erhalten und damit erhebliche Werbeerlöse erzielen. Solche Nutzungen, die bisher in einem rechtlichen Graubereich stattfanden, sind den User:innen jetzt explizit erlaubt, aber die Online-Plattformen müssen die Urheber:innen dafür entschädigen. Praktikabel lösen lässt sich das bei derart massenhaften Nutzungen nur pauschal über sogenannte erweiterte kollektive Lizenzen durch die Verwertungsgesellschaft Bildrecht. Voraussetzung dafür ist, dass wir nachweislich ausreichend Mitglieder in den vertretenen Sparten haben.

Was sind erweiterte kollektive Lizenzen?

Sie sichern Bildurheber:innen ein Stück vom Werbekuchen der Online-Plattformen. Diese brauchen eine Lizenz für massenhafte Bild-Nutzungen. Die Bildrecht fungiert dabei als One-Stop-Shop - auch für Werke, deren Urheber:innen aktuell nicht von der Bildrecht vertreten sind. Das bringt allen Beteiligten höchste Rechtssicherheit, minimiert den Verwaltungsaufwand und den Urheber:innen bleibt mehr Geld übrig. Solche erweiterten kollektiven Lizenzen sind in Skandinavien bei vielen Vergütungen seit Jahren bewährt. Sie sind prädestiniert für die Massennutzungen im Online-Bereich.

Bildende Kunst, Fotografie, Grafik, Illustration, Design, Architektur: Die Bildrecht vertritt viele unterschiedliche Sparten. Wie lassen sich deren Interessen bündeln?

Das gelingt nur, wenn alle verstehen, dass man gegen starke Verhandlungspartner gemeinsame Interessen auch nur gemeinsam durchsetzen kann. Das haben die jüngsten, erfolgreichen Verhandlungen zur Speichermedienvergütung gezeigt: Vereine und Interessensvertretungen aller Bild-Sparten haben sich zusammengetan, ihre Gremien und Mitglieder sensibilisiert und die Forderungen der Bildrecht mitgetragen. In verhandlerischen Patt-Situationen reichen nämlich gute Argumente und fundierte Zahlen alleine nicht aus. Es braucht diesen Druck gebündelter Kräfte, um befriedigende Verhandlungsergebnisse zu erzielen.

Einzelne Urheber:innen oder Bild-Sparten könnten da nichts erreichen?

Nur ein gemeinsames Vorgehen wird den Bildurheber:innen Zahlungen der großen Plattformen bringen. Einzelne Bildurheber:innen oder selbst ganze Bild-Sparten haben eine zu geringe Verhandlungsmacht, um nennenswerte Vergütungen zu erzielen. Wenn wir für alle Bildsparten verhandeln, schaffen wir eine Win-Win-Situation für sämtliche Bildsparten, wodurch alle Bildurheber:innen letztlich mehr Vergütungen erhalten. Zudem kommt, dass die Geschäftsmodelle und Verwertungsstrukturen im Bildbereich ganz unterschiedlich sind von jenen in Musik und Film. Dort gibt es ein vergleichsweise überschaubares Werkrepertoire, große Labels bzw. Produktionsfirmen, die mit den Online-Plattformen auf Augenhöhe verhandeln können. Im Bildbereich haben wir es mit einem viel größeren Werkrepertoire zu tun - da geht es um massenhafte Nutzungen. Studien legen nahe, dass private österreichische Social-Media-User:innen jährlich über eine Milliarde Werke von professionellen Bildurheber:innen aus Kunst, Fotografie, Design und Architektur posten. Die Bildrecht kann und wird eine starke Verhandlungspartnerin für den vergleichsweise fragmentierten Bildbereich sein, weil der Bildsektor geschlossen hinter ihr steht.

Der Bildsektor hat ja volkswirtschaftlich beachtliche Dimensionen ...

Genau - eine in der Corona-Krise veröffentlichte Studie zeigt, dass der europäische Bildsektor innerhalb der Kultur- und Kreativsektoren die größte Bruttowertschöpfung hat und die meisten Arbeitsplätze aufweist. Nicht verwunderlich - wir leben in einer immer stärker von Bildern geprägten Welt und professionelle Bilder und damit verbundene Services spielen dabei eine wesentliche Rolle. Das ist inzwischen auch der Politik bewusst. An uns liegt es, dieses Bewusstsein weiter zu schärfen und gemeinsam für international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Bildurheber:innen einzutreten.

Wie soll das funktionieren?

Dank einer breiten Allianz des Bildbereiches, die sich unter Begleitung der Bildrecht gerade bildet und die Bedeutung des Bildes noch besser erfahrbar und begreifbar machen wird. Die führenden Kunstvereine und Interessenvertretungen aller Bild-Sparten, die uns bereits bei der Speichermedienvergütung unterstützt haben, spielen dabei eine zentrale Rolle. Laufend stoßen neue Institutionen und Personen dazu, die wissen: Es braucht in der digitalisierten Welt einen gemeinsam agierenden Bildsektor und wir müssen uns daher dafür einsetzen.

Warum ist dieses Empowerment so wichtig?

Wir erleben gerade unsichere und für viele belastende Zeiten, die Übermacht marktbeherrschender Verwertungsplattformen ist evident. Die bestehenden Vergütungen sind wichtig, aber selbst wenn wir diese erfolgreich nachverhandeln, brauchen wir zusätzliche Einnahmen für die vielen Online-Nutzungen und - während der Pandemie aus der Not geborenen - hybriden Nutzungsformen, um den Bildurheber:innen langfristig kalkulierbare und kontinuierliche Einnahmen zu sichern. Wir stellen jetzt die Weichen für die nächsten Jahre, für die eine breite Mitgliederbasis Grundvoraussetzung ist. Die Bildrecht agiert dabei nicht nur national, sondern stimmt sich auch im Netzwerk eng mit ihren europäischen Schwestergesellschaften ab.

Gibt es abseits der Verhandlungen mit den Internet-Giganten noch andere Themen?

Eine ganze Menge. Technologiebezogene wie Fragen der Bildpräsenz im vielzitierten Metaverse, Augmented und Virtual Reality, NFT, 3D-Printing und deren urheberrechtliche Aspekte. Aber auch Fragen wie (analoge und digitale) Vor- und Nachlässe zu künstlerischen Positionen, die für das Verständnis der österreichischen Kunstentwicklung im 20. und 21 Jahrhundert essenziell sind sowie steuerliche Anreize zur Förderung zeitgenössischer Kunst.

Spannend, wie geht es da weiter?

Wir werden bei den Kunstmessen im Herbst präsent sein und dort einige für Bildurheber:innen relevante Themen platzieren. Wir wollen Medien, Meinungsbildner:innen sowie Verantwortliche in Politik und Verwaltung ansprechen und die Partnerschaften mit Kunstuniversitäten weiter verstärken. Noch in diesem Jahr ist ein Mitgliederforum geplant und wir werden vermehrt kommunikative Maßnahmen im Sinne der Bildurheber:innen setzen.

Apropos Mitgliederzahl: Bringen mehr Mitglieder nicht weniger Geld für alle?

Mehr Mitglieder stärken unsere Position bei Verhandlungen und sind letztlich ein Garant für deutlich höhere Einahmen. Als staatlich autorisierte Verwertungsgesellschaft arbeiten wir im gesetzlichen Auftrag, möglichst die Gesamtheit professionell tätiger Urheber:innen von Bildwerken zu vertreten. Wie erwähnt werden wir ja bald über Vergütungen verhandeln, wo es die in den letzten Jahren stark verbreiterte Mitgliederbasis überhaupt erst ermöglicht, nachhaltig angemessene Zahlungen zu erhalten. So können wir zusätzliche Einnahmen für die Bildurheber:innen erzielen und eine langfristig stabile Tantiemenstruktur sicherstellen.

Mag. Günter Schönberger ist Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Bildrecht GmbH Gesellschaft zur Wahrnehmung visueller Rechte. Seit Juli 2022 ist Schönberger auch Mitglied im Board der European Visual Artists (EVA), Europas Interessenvertretung von Verwertungsgesellschaften für Urheber:innen visueller Werke.